Hintergrund der zum 01.08.2022 in Kraft getretenen Änderungen im deutschen Nachweisegesetz (NachwG) ist die Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/1152 (Arbeitsbedingungen-Richtlinie), die den Schutz der Arbeiter/innen in der EU sowie mehr Transparenz über geltende Arbeitsbedingungen bezweckt. Anders als bisher haben alle Unternehmen in Deutschland transparent über eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen zu unterrichten und bei Nichteinhaltung ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000 pro Einzelfall zu befürchten. Der Katalog der zu dokumentierenden Arbeitsbedingungen wurde in § 2 Abs. 1 NachwG entsprechend erweitert.

Das geänderte Nachweisegesetz betrifft sämtliche Arten von Arbeitsverhältnissen (u.a. auch Berufsausbildungsverhältnisse). Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Neuarbeitsverträgen, die ab dem 01.08.2022 beginnen, den neuen Transparenzanforderungen von Beginn an zu genügen. Bei Neuarbeitsverträgen haben Arbeitgeber den geänderten gesetzlichen Verpflichtungen also eigeninitiativ nachzukommen. Bei Altverträgen die vor dem 01.08.2022 abgeschlossen wurden, muss nur auf Verlangen der Beschäftigten die neuen Informationen erteilt werden.

Die inhaltlichen Anforderungen des aktuellen NachwG sind teilweise sehr umfangreich. So wird beispielsweise nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 NachwG neu von Arbeitgebern verlangt, über das bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren zu informieren. Sollen Arbeitgeber nun verpflichtet sein, über die gesamten Einzelheiten eines Kündigungsschutzverfahrens zu unterrichten? RA Dr. Christoffer gab anhand anschaulicher Praxisbeispiele Umsetzungs- und Praxishilfen, wie mit den neuen gesetzlichen Anforderungen in der Praxis umzugehen ist. Außerdem zeigte er auf, in welchen Fällen und Konstellationen der Verweis auf Kollektivverträge (§ 2 Abs. 4 S. 1 NachwG) oder sogar der Verweis auf gesetzliche Bestimmungen (§ 2 Abs. 4 S. 2 NachwG) zulässig und ausreichend ist.

Arbeitgeber müssen zukünftig ihre Beschäftigten schriftlich über deren wesentlichen Arbeitsbedingungen informieren. Anders als die EU-Richtlinie schließt das deutsche Nachweisgesetz die elektronische Form ausdrücklich aus, § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG. Das bedeutet, dass bei zu dokumentierenden Arbeitsbedingungen eine eigenhändig zu unterschreibende Urkunde angefertigt werden muss, § 126 BGB. Ob es unter praktischen Gesichtspunkten Sinn macht, die nachweispflichtigen Arbeitsbedingungen in den Arbeitsvertrag oder in einer gesonderten Urkunde (sog. Beipackzettel) aufzunehmen, ist Geschmackssache.

Bei Neuarbeitsverträgen muss bereits am ersten Arbeitstag die Niederschrift mit den Informationen über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt, seine konkrete Zusammensetzung und die Arbeitszeit vorliegen. Weitere Angaben sind dann spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen vorzulegen. Bei Altverträgen gilt grundsätzlich die die Frist von sieben Kalendertagen ab Aufforderung durch Beschäftigte, es sei denn, es handelt sich um Informationen über Urlaub, betriebliche Altersversorgung, Pflichtfortbildungen, Kündigungsschutzverfahren oder sonst anwendbare Kollektivverträge. Hier wird eine Frist von einem Monat ab Auskunftsverlangen in Gang gesetzt.

Arbeitgeber sind gut beraten, die gesetzlichen Neueren ernst zu nehmen und deren internen HR-Prozess auf Anpassungsbedarf zu überprüfen. Sofern die Niederschrift von wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen nicht, nicht rechtzeitig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig ausgehändigt werden, droht zukünftig ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000 pro Einzelfall. Welche Behörde entsprechende Ordnungswidrigkeiten zukünftig ahnden wird, hängt vom jeweiligen Landesrecht ab. Im Zweifel werden es die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter oder andere Bezirksregierungen sein, die entsprechende Bußgeld-bescheide erlassen. Umfang und Kontrolle sowie Sanktionierungspraxis durch die zuständigen Behörden bleibt abzuwarten. Allerdings ist bereits jetzt erkennbar, dass Personalabteilungen mit der zweckentfremdeten Geltendmachung des Informationsrechts nach dem NachwG in im Rahmen von arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen konfrontiert werden.

Arbeitsgerichte werden sich wohl auch mit den weitergehenden Fragen beschäftigen müssen, ob Verstöße gegen das neue NachwG zu einer Schadensersatzpflicht führen können, oder ob Beschäftigten wegen der Nichterfüllung der Nachweispflichten ein Zurückbehaltungsrecht an deren Arbeitsleistung zusteht. Zu fragen ist auch, ob das Nichteinhalten der Pflichten aus dem NachwG bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten über Arbeitsbedingungen zu einer Beweiserleichterung oder gar Beweislastumkehr für Beschäftigte führen kann.